Wo stehen Unternehmen beim Recruiting?
Recruiting im Fokus: Herausforderungen und Strategien
Die Personalgewinnung stellt Unternehmen heute vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere in Zeiten eines Fachkräftemangels. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzen Unternehmen verstärkt auf spezialisierte Recruiting-Strukturen. Eine aktuelle Studie von Wollmilchsau, der HTWK Leipzig und der DGFP beleuchtet, wie Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse organisieren und wo Optimierungsbedarf besteht.
Spezialisierte Recruiting-Teams auf dem Vormarsch
Recruiting wird in vielen Unternehmen als strategisch wichtig angesehen. Laut der Studie verfügen 61 Prozent der befragten Unternehmen über eigenständige Recruiting-Teams oder -Einheiten wie Shared Services oder Recruiting-Center. Weitere 47 Prozent setzen auf HR-Generalisten, die sich parallel zur Personalgewinnung auch um andere Aufgaben kümmern. Nur ein Prozent der Firmen hat das Recruiting vollständig an externe Anbieter ausgelagert, während neun Prozent bestimmte Berufsgruppen über Recruitment-Process-Outsourcing (RPO) rekrutieren.
Darüber hinaus werden Bereiche wie Employer Branding, Personalmarketing und Active Sourcing zunehmend von spezialisierten Mitarbeitenden abgedeckt. In 44 Prozent der Unternehmen ist hierfür zwischen 0,5 und einer Vollzeitstelle vorgesehen, während knapp 17 Prozent sogar ein Team aus bis zu drei Vollzeitkräften beschäftigen. Active Sourcing ist bei 43 Prozent der Unternehmen jedoch noch nicht etabliert. Gleichzeitig gibt es Firmen, die mehr als fünf oder sogar zehn Vollzeitstellen für Recruiting, Employer Branding und Personalmarketing bereitstellen.
Nachgefragte Berufe: IT und kaufmännische Tätigkeiten im Fokus
Die Anforderungen an die Personalgewinnung variieren je nach Zielgruppe. Im Bereich der Fachkräfte und Auszubildenden dominieren kaufmännisch-administrative Berufe, gefolgt von technischen und vertrieblichen Berufen. Strategisch und hinsichtlich des Volumens besonders bedeutend ist die IT- und Softwareentwicklung, die im Segment der Spezialisten und Experten an erster Stelle steht. Darauf folgen Corporate Functions sowie Ingenieur- und Technikberufe.
Arbeitsbelastung der Recruiter: 62 Stellen pro Jahr
Die Arbeitsbelastung im Recruiting ist hoch: Im Durchschnitt betreut ein Recruiter gleichzeitig 27 offene Positionen und besetzt pro Jahr etwa 62 Stellen. Die Zahl variiert je nach Unternehmensgröße. Während bei größeren Unternehmen mehr Stellen pro Jahr zugewiesen werden, bleibt die Zahl der gleichzeitig betreuten Positionen stabil. Besonders in Firmen mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 2.500 und 4.999 ist die Belastung der Recruiter deutlich erhöht.
Die Organisation des HR-Bereichs beeinflusst ebenfalls die Arbeitsbelastung. In 40 Prozent der Unternehmen wird eine Mischform aus Drei-Säulen-Modell und Personalreferentenmodell genutzt, während 35 Prozent ausschließlich auf das Personalreferentenmodell setzen. Das Drei-Säulen-Modell, das zwischen Shared Services, HR-Business-Partnern und Centern of Expertise unterscheidet, ist in 26 Prozent der Unternehmen vertreten und zeichnet sich durch eine besonders hohe Arbeitsintensität im Recruiting aus.
Jobbörsen bleiben der wichtigste Recruiting-Kanal
Bei der Wahl der Recruiting-Kanäle dominieren weiterhin klassische Methoden. 97 Prozent der Unternehmen nutzen Jobbörsen, während Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme (70 Prozent) und Dienstleister für Direktvermittlung (67 Prozent) ebenfalls häufig zum Einsatz kommen. Active Sourcing (66 Prozent) und Social Media Performance Marketing (61 Prozent) gewinnen zunehmend an Bedeutung. Weniger verbreitet sind hingegen Methoden wie Programmatic Job Advertising (25 Prozent) oder Community-Events (23 Prozent).
Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen auf einen Methodenmix setzen. Gleichzeitig wird deutlich, dass oft nach dem „Gießkannenprinzip“ gearbeitet wird: Die gleichen Kanäle werden unabhängig davon genutzt, ob Fachkräfte oder Spezialisten gesucht werden. Eine zielgruppenspezifischere Auswahl der Methoden bleibt vielfach noch aus.
Kennzahlen im Recruiting: Wunsch und Realität
Kennzahlen wie Time-to-Hire, Cost-per-Hire oder Channel Effectiveness gelten als wichtige Messgrößen im Recruiting. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen große Lücken: Während 49 Prozent der Befragten die Cost-of-Vacancy regelmäßig erheben möchten, tun dies nur fünf Prozent tatsächlich. Auch die Time-to-Interview und Cost-per-Application werden in weniger als einem Viertel beziehungsweise einem Achtel der Unternehmen erfasst.
Insgesamt zeigt die Studie, dass Recruiting-Kennzahlen in vielen Firmen noch unterrepräsentiert sind. Weniger als zwei Drittel der Unternehmen messen die Time-to-Hire, und zentrale Kennzahlen wie Cost-per-Hire oder Channel Effectiveness werden in weniger als der Hälfte der Fälle systematisch erfasst.
Fazit: Recruiting bleibt eine strategische Herausforderung
Die Benchmark-Studie zeigt, dass viele Unternehmen die Bedeutung eines strukturierten und professionellen Recruitings erkannt haben. Spezialisierte Teams, vielfältige Kanäle und moderne Methoden werden zunehmend eingesetzt. Gleichzeitig gibt es Nachholbedarf, insbesondere bei der Nutzung von Kennzahlen und der zielgruppenspezifischen Auswahl von Recruiting-Kanälen. Unternehmen, die hier ansetzen, können ihre Recruiting-Strategie gezielt verbessern und sich im Wettbewerb um Talente besser positionieren.