Firmen beklagen Fachkräftemangel: Work-Life-Balance als Schlüsselfaktor

In der heutigen Arbeitswelt bleibt der Fachkräftemangel für Unternehmen eines der größten Wachstumsrisiken. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung EY zeigt, dass zwei Drittel der mittelständischen Betriebe in Österreich fehlendes Personal als größte Herausforderung für ihr Wachstum sehen. Dies wird sogar vor möglichen Rezessionen, Inflation und hohen Energiekosten genannt. Die Studie basiert auf der Befragung von rund 500 Führungskräften in Betrieben mit 30 bis 2.000 Mitarbeitenden.

Die Herausforderungen der Personalrekrutierung

Der Fachkräftemangel betrifft vor allem das Bau- und Immobiliengewerbe, den Tourismus sowie die Industrie. Regional gesehen sind Betriebe in Kärnten, dem Burgenland und Salzburg besonders stark betroffen. In Kärnten bewerten 42 Prozent der Unternehmen die Rekrutierung als „sehr schwierig“.

Während 70 Prozent der Betriebe angeben, dass es ihnen schwerfällt, qualifizierte Mitarbeitende zu finden, hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr leicht entspannt – damals waren es noch 82 Prozent. Dennoch bleibt die Situation angespannt, insbesondere in Branchen mit einem hohen Bedarf an Fachpersonal.

Veränderte Prioritäten der Arbeitskräfte

Ein wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel, so die Studie, ist der veränderte Blick junger Menschen auf die Arbeitswelt. Der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance und eine geringere Bereitschaft zur Vollzeitarbeit werden von 61 Prozent der Betriebe als Hauptfaktor genannt. Auch der demografische Wandel, also die Alterung der Gesellschaft, spielt eine Rolle (39 Prozent).

Darüber hinaus bemängeln ein Drittel der Unternehmen die fehlende Ausbildung und Qualifikation vieler Bewerbenden. Im Vergleich dazu hat die Kritik an unzureichender Unterstützung durch die Regierung etwas abgenommen (25 Prozent, im Vorjahr noch 31 Prozent).

Neueinstellungen und Stellenabbau

Trotz der Herausforderungen plant ein Viertel der Betriebe, in den kommenden Monaten neue Mitarbeitende einzustellen – ein leichter Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Besonders in Wien (32 Prozent) zeigt sich Optimismus. Gleichzeitig bleibt der Anteil der Betriebe, die Stellen abbauen möchten, mit 18 Prozent stabil hoch.

Insgesamt planen die Unternehmen, ihre Belegschaft im nächsten Halbjahr durchschnittlich um 3,5 Prozent zu reduzieren. Besonders alarmierend ist, dass einige Betriebe bereits jetzt mit den Folgen des Fachkräftemangels kämpfen: 35 Prozent berichten von Umsatzeinbußen oder nicht umsetzbaren Aufträgen aufgrund fehlender Mitarbeitender.

Kosten der Personalsuche steigen

Neben den direkten Folgen des Fachkräftemangels steigen auch die Kosten für die Rekrutierung. Jedes zweite Unternehmen verzeichnet in den letzten fünf Jahren gestiegene Ausgaben für die Suche nach geeigneten Mitarbeitenden. Im Durchschnitt beläuft sich der Kostenanstieg auf etwa 13 Prozent.

Strategien gegen den Fachkräftemangel

Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, setzen viele Betriebe auf Maßnahmen wie:

  • Aus- und Weiterbildungsprogramme (54 Prozent): Diese sollen Mitarbeitende qualifizieren und langfristig binden.
  • Flexibilisierung der Arbeitszeiten (52 Prozent): Ein attraktives Arbeitszeitmodell soll die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern.
  • Zusatzleistungen und Benefits (50 Prozent): Diese sollen Unternehmen im Wettbewerb um Talente hervorheben.

Die Rolle der Politik

Von der Politik erwarten sich Unternehmen verstärkte Unterstützung. Zu den häufigsten Forderungen zählen:

  • Bildungsförderung für Fachkräfte (46 Prozent)
  • Stärkere Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen (44 Prozent)
  • Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen (43 Prozent)
  • Erhöhung der Attraktivität spezifischer Berufe (42 Prozent)
  • Gezielte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte (39 Prozent)

„Die Politik muss langfristige Maßnahmen setzen, insbesondere im Bereich Bildung und Qualifizierung“, erklärt Erich Lehner, Mittelstandsexperte bei EY Österreich. Zudem betont er die Bedeutung von effizienteren Anerkennungsverfahren für Zuwanderer und die Notwendigkeit, Vollzeitarbeit attraktiver zu gestalten.

Weiterbildung als Schlüssel

Ein zentrales Thema bleibt die Weiterbildung. Lehner warnt vor den Folgen der geplanten Abschaffung der Bildungskarenz, da diese bislang ein wichtiger Baustein für lebenslanges Lernen war. Gleichzeitig fordert er alternative Maßnahmen, um die Weiterbildung im Berufsleben zu fördern.

Die Unternehmen selbst stehen ebenfalls in der Pflicht, innovative Lösungen zu finden. „Die Halbwertszeit des Wissens sinkt rapide, und Weiterbildungen sind entscheidend, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“, betont Lehner.

Fazit

Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Veränderte Werte junger Menschen und demografische Entwicklungen verschärfen die Situation. Sowohl Unternehmen als auch die Politik sind gefordert, kreative Lösungen zu entwickeln – sei es durch Bildungsinitiativen, flexiblere Arbeitszeitmodelle oder die gezielte Förderung von Fachkräften. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen können die Herausforderungen gemeistert und das Wachstum der Betriebe gesichert werden.

 

 
 
 
 

Wo stehen Unternehmen beim Recruiting?

Recruiting im Fokus: Herausforderungen und Strategien
Die Personalgewinnung stellt Unternehmen heute vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere in Zeiten eines Fachkräftemangels. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzen Unternehmen verstärkt auf spezialisierte Recruiting-Strukturen. Eine aktuelle Studie von Wollmilchsau, der HTWK Leipzig und der DGFP beleuchtet, wie Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse organisieren und wo Optimierungsbedarf besteht.


Spezialisierte Recruiting-Teams auf dem Vormarsch

Recruiting wird in vielen Unternehmen als strategisch wichtig angesehen. Laut der Studie verfügen 61 Prozent der befragten Unternehmen über eigenständige Recruiting-Teams oder -Einheiten wie Shared Services oder Recruiting-Center. Weitere 47 Prozent setzen auf HR-Generalisten, die sich parallel zur Personalgewinnung auch um andere Aufgaben kümmern. Nur ein Prozent der Firmen hat das Recruiting vollständig an externe Anbieter ausgelagert, während neun Prozent bestimmte Berufsgruppen über Recruitment-Process-Outsourcing (RPO) rekrutieren.

Darüber hinaus werden Bereiche wie Employer Branding, Personalmarketing und Active Sourcing zunehmend von spezialisierten Mitarbeitenden abgedeckt. In 44 Prozent der Unternehmen ist hierfür zwischen 0,5 und einer Vollzeitstelle vorgesehen, während knapp 17 Prozent sogar ein Team aus bis zu drei Vollzeitkräften beschäftigen. Active Sourcing ist bei 43 Prozent der Unternehmen jedoch noch nicht etabliert. Gleichzeitig gibt es Firmen, die mehr als fünf oder sogar zehn Vollzeitstellen für Recruiting, Employer Branding und Personalmarketing bereitstellen.


Nachgefragte Berufe: IT und kaufmännische Tätigkeiten im Fokus

Die Anforderungen an die Personalgewinnung variieren je nach Zielgruppe. Im Bereich der Fachkräfte und Auszubildenden dominieren kaufmännisch-administrative Berufe, gefolgt von technischen und vertrieblichen Berufen. Strategisch und hinsichtlich des Volumens besonders bedeutend ist die IT- und Softwareentwicklung, die im Segment der Spezialisten und Experten an erster Stelle steht. Darauf folgen Corporate Functions sowie Ingenieur- und Technikberufe.


Arbeitsbelastung der Recruiter: 62 Stellen pro Jahr

Die Arbeitsbelastung im Recruiting ist hoch: Im Durchschnitt betreut ein Recruiter gleichzeitig 27 offene Positionen und besetzt pro Jahr etwa 62 Stellen. Die Zahl variiert je nach Unternehmensgröße. Während bei größeren Unternehmen mehr Stellen pro Jahr zugewiesen werden, bleibt die Zahl der gleichzeitig betreuten Positionen stabil. Besonders in Firmen mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 2.500 und 4.999 ist die Belastung der Recruiter deutlich erhöht.

Die Organisation des HR-Bereichs beeinflusst ebenfalls die Arbeitsbelastung. In 40 Prozent der Unternehmen wird eine Mischform aus Drei-Säulen-Modell und Personalreferentenmodell genutzt, während 35 Prozent ausschließlich auf das Personalreferentenmodell setzen. Das Drei-Säulen-Modell, das zwischen Shared Services, HR-Business-Partnern und Centern of Expertise unterscheidet, ist in 26 Prozent der Unternehmen vertreten und zeichnet sich durch eine besonders hohe Arbeitsintensität im Recruiting aus.


Jobbörsen bleiben der wichtigste Recruiting-Kanal

Bei der Wahl der Recruiting-Kanäle dominieren weiterhin klassische Methoden. 97 Prozent der Unternehmen nutzen Jobbörsen, während Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme (70 Prozent) und Dienstleister für Direktvermittlung (67 Prozent) ebenfalls häufig zum Einsatz kommen. Active Sourcing (66 Prozent) und Social Media Performance Marketing (61 Prozent) gewinnen zunehmend an Bedeutung. Weniger verbreitet sind hingegen Methoden wie Programmatic Job Advertising (25 Prozent) oder Community-Events (23 Prozent).

Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen auf einen Methodenmix setzen. Gleichzeitig wird deutlich, dass oft nach dem „Gießkannenprinzip“ gearbeitet wird: Die gleichen Kanäle werden unabhängig davon genutzt, ob Fachkräfte oder Spezialisten gesucht werden. Eine zielgruppenspezifischere Auswahl der Methoden bleibt vielfach noch aus.


Kennzahlen im Recruiting: Wunsch und Realität

Kennzahlen wie Time-to-Hire, Cost-per-Hire oder Channel Effectiveness gelten als wichtige Messgrößen im Recruiting. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen große Lücken: Während 49 Prozent der Befragten die Cost-of-Vacancy regelmäßig erheben möchten, tun dies nur fünf Prozent tatsächlich. Auch die Time-to-Interview und Cost-per-Application werden in weniger als einem Viertel beziehungsweise einem Achtel der Unternehmen erfasst.

Insgesamt zeigt die Studie, dass Recruiting-Kennzahlen in vielen Firmen noch unterrepräsentiert sind. Weniger als zwei Drittel der Unternehmen messen die Time-to-Hire, und zentrale Kennzahlen wie Cost-per-Hire oder Channel Effectiveness werden in weniger als der Hälfte der Fälle systematisch erfasst.


Fazit: Recruiting bleibt eine strategische Herausforderung

Die Benchmark-Studie zeigt, dass viele Unternehmen die Bedeutung eines strukturierten und professionellen Recruitings erkannt haben. Spezialisierte Teams, vielfältige Kanäle und moderne Methoden werden zunehmend eingesetzt. Gleichzeitig gibt es Nachholbedarf, insbesondere bei der Nutzung von Kennzahlen und der zielgruppenspezifischen Auswahl von Recruiting-Kanälen. Unternehmen, die hier ansetzen, können ihre Recruiting-Strategie gezielt verbessern und sich im Wettbewerb um Talente besser positionieren.